Geschichte ist präsenter, als man denkt

Triggerwarnung: Der Beitrag greift den Zweiten Weltkrieg und Themen wie Deportation und Tod auf.

Leute, die in Bonn leben oder mal nach Bonn reisen, kommen natürlich nicht an den Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt vorbei. Egal ob Du am Münsterplatz die Beethovenstatue und das Alte Postamt erblickst, das Sterntor in Richtung Friedensplatz bewunderst oder ob Du am Marktplatz deinen Blick auf das schöne Alte Rathaus wendest: 

Überall gibt es besondere Orte zu entdecken, die für die Stadt Bonn wichtig sind!

Aber auf unserer Webseite geht es natürlich nicht darum, Dir die Sehenswürdigkeiten zu zeigen, die man auf jedem zweiten Reiseblog sieht. Bei uns geht es darum, auch einmal die Perspektive zu wechseln. Und genau so ein Perspektivenwechsel lohnt sich vor allem vor dem Alten Rathaus am Marktplatz…

…Während einer Stadtführung bin ich da nämlich darauf aufmerksam gemacht geworden, meinen Blick auf den Boden zu richten.

Fällt Dir etwas auf?

Vielleicht hast Du ja bemerkt, dass sich zwischen den gängigen Pflastersteinen mehrere bronzene Steine befinden.
Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass diese Steine Buchrücken darstellen, auf denen Namen von Autor*innen und entsprechende Buchtitel zu lesen sind.

Während der Stadtführung wurde uns erzählt, dass es sich hierbei um Stolpersteine handelt. Diese zeigen Dir Bücher, die während der Zeit des Zweiten Weltkriegs genau an diesem Platz verbrannt wurden. 

Als ich das erfuhr, war für einen Moment sprachlos. Ich fühlte mich auf einmal sehr schlecht, dass ich die Stolpersteine nicht schon früher bemerkte. Schließlich sind sie doch so wichtig, damit die Geschehnisse der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten! Ein mulmiges Gefühl hat sich in mir breit gemacht…

Noch nie zuvor hatte ich Stolpersteine in Form von Büchern gesehen. Umso ergreifender war es genau an dem Ort, an dem die Bücherverbrennung stattfand, nun zu stehen und auf all die Werke zu blicken.

Doch das ist noch längst nicht alles! Einmal im Jahr, immer am 10. Mai, findet genau an diesem Platz eine besondere Veranstaltung statt…

…Dabei wird vor dem Rathaus eine Luke geöffnet, in der sich Bücher befinden, die zu der Zeit des Kriegs verbrannt wurden. Den Leuten wird daraufhin, soweit es mir erzählt wurde, aus den Büchern vorgelesen und einige Ausgaben werden auch an die Leute verschenkt. Anschließend werden wieder neue Bücher in die Luke gelegt und diese bleibt dann für ein Jahr geschlossen. 

Der 10. Mai wurde natürlich nicht willkürlich als Datum gewählt, sondern ist sehr bedeutungsvoll! Denn auf der Platte der Luke kann man nachlesen, dass die Bücherverbrennung in Bonn damals im Jahr 1933 am 10. Mai vor dem Alten Rathaus stattfand. Wenn Du mehr über die Bücherverbrennung oder die Veranstaltung erfahren möchtest, dann kannst Du auch gerne auf der Webseite der Bundesstadt Bonn vorbeischauen. Auf dieser Seite wird Dir erklärt, wie es zu den Bücherverbrennungen kam, welche Autor*innen davon betroffen waren und wie es zu diesem Denkmal kam. 

Als ich mit Susanna wieder an diesem Ort war, hatte uns das Thema ziemlich beschäftigt. Deswegen hatten wir geschaut, ob es in der Nähe zum Marktplatz auch weitere Stolpersteine gibt. Tatsächlich mussten wir gar nicht weit gehen, um welche zu finden.

Hier siehst Du nun die zwei weiteren Stolpersteine, die wir entdeckt haben. Diese Art von Stolpersteinen gibt es nicht nur in Bonn, sondern in mehreren Städten und Ländern. Vielleicht hast Du ja auch selbst schon mal solche gesehen.

Diese Stolpersteine erinnern natürlich nicht an die Bücherverbrennung, sondern an Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verjagt, deportiert und/oder getötet wurden. Du kannst auf der Webseite der Bundesstadt Bonn auch weitere Informationen über solche Stolpersteine erlangen. Hier wird Dir erklärt, weshalb, wie und wo solche Stolpersteine verlegt werden und wer für dieses Projekt in Bonn zuständig ist.

Die beiden Stolpersteine, die Susanna und ich auffanden, befinden sich direkt gegenüber der Uni. Es fühlte sich so unrealistisch an, dass in der Nähe zum Marktplatz und der Uni – an den Orten, wo doch so viel leben herrscht – etwas so Schreckliches passierte und gleichzeitig ist es doch so real…

Es kommt immer wieder ein mulmiges Gefühl in mir hoch, wenn ich den Namen der Menschen und die schrecklichen Gründe für deren Tod lese.

,,Tod nach der Befreiung“, betonte Susanna und es wurde ganz still zwischen uns.

Man läuft Gefahr, im Alltag einfach daran vorbei zu laufen, ohne sich der Bedeutung dieses Standorts bewusst zu werden. Deswegen ist hier auch noch mal der Blick von der Uni aus auf das Gebäude, in dem die beiden Menschen wohnten, die durch die Zeit des Nationalsozialismus gestorben sind. Dies ist natürlich nicht der einzige Ort, sondern es gibt zahlreiche Plätze, an denen solche Stolpersteine in Bonn zu sehen sind und auf Wohnhäuser zeigen, in denen die betroffenen Menschen einst lebten.

Es ist immer wieder wichtig, an die Ereignisse dieser schrecklichen Zeit zu erinnern und die nachkommende Generation über die Geschehnisse aufzuklären. Deswegen finden wir es sehr wichtig, Dich auf die Stolpersteine aufmerksam zu machen.

Ich hoffe, dass wir Dich mit diesem Beitrag also dazu ermutigt haben, Deinen Blick offen zu halten. Wer weiß, auf welch wichtige Themen Du stoßen wirst. 

8 Replies to “Geschichte ist präsenter, als man denkt”

  1. Es ist ein toller Aufruf, den ihr hier startet, dass man mit offenen Augen durch die Stadt laufen soll. Die Stolpersteine werden so leicht übersehen, aber wenn man sie wie ihr genauer betrachtet und darüber nachdenkt, wofür sie stehen, dann bringt einen das wortwörtlich ins Stolpern!

    1. Vielen Dank für Dein Feedback! Oh ja, das bringt einen echt zum Nachdenken. Genau deswegen haben Susanna und ich diesen Ort auch ausgewählt für unsere Webseite. So können wir hoffentlich viele Leute darauf aufmerksam machen.

  2. Jetzt wo ich die Bilder der Stolpersteine gesehen habe, wurde mir noch einmal richtig bewusst wie gegenwärtig das Ganze ist. Wenn ich das nächste Mal in Bonn bin, werde ich meinen Blick definitiv nach unten richten!

  3. Ich gehe mindestens einmal die Woche am alten Rathaus vorbei und habe das selbst noch nie bemerkt. Das nächste Mal werde ich auf jeden Fall darauf achten. Der Post regt zum Nachdenken an, besonders wenn es darum geht seine Umwelt bewusster wahrzunehmen und wie sehr man doch im Alltagstrott kleine, aber wichtige Dinge übersehen kann. Sehr spannender Beitrag!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.